Bénédicte Gross arbeitet seriell. Wichtige Entwicklungsschritte innerhalb ihres Werks ergeben sich aus Konzept und Arbeitsprozess. Ein erster Zyklus stellt Waldlandschaften ins Zentrum, in denen alte Postkartenansichten der Bergwelt mit realen Landschaften verschmelzen. So wie es in den Schweizer Tourismusgebieten geschieht, wo die Intaktheit der Natur zu einem immer wichtigeren Standortfaktor wird. Dabei wird die Landschaft idealisiert und ihrer natürlichen Rauheit beraubt. Auch Gross‘ Bilder bewegen sich auf der Schnittstelle des Idyllischen mit dem Realen, sie changieren und gewichten mal die eine, mal die andere Sichtweise mehr, je nach Position des Betrachters und Grad der Abstraktion. In einer zweiten Serie hat sich die Künstlerin mit kartographischen Landschaften befasst. Auf meist tiefrot gefärbtem Hintergrund zeigen fiktive Kartenausschnitte Raster aus Häuserblocks und geschwungene Strassensysteme. Auf den ersten Blick scheinen wir es mit einer Art Industriezone zu tun zu haben. Daneben ergeben sich aber auch seltsam formlose Flecken, die dicke Druckfarbe ergiesst sich in Strassen und Plätze, das Gelände wird zum Terrain Vague. Mit fortlaufender Nutzung der Linoldruckvorlage verliert das kartographische Muster an Schärfe und Genauigkeit, bis es vor dem leuchtenden Hintergrund nahezu verschwindet. Mehrmals vorgefaltete Blätter mit stark vergrösserten Linien oder Kreuzen unter schwarzen Farbpunkten bilden den Schlusspunkt der Serie. Ausgehend von einer Grundidee, die sowohl repetiert als auch laufend erweitert und abstrahiert wird und geleitet von einem Gespür für Material und Haptik schafft Bénédicte Gross einen zeitgenössischen Kommentar zur Landschaftsmalerei.
Text: Jasmin Gadola